Mehr über Janosch und unseren »Schimanzki«
Den meisten ist Janosch hauptsächlich als Autor anarchisch philosophischer Kinderbücher ein Begriff. Aus der Feder des Malers, Geschichtenerfinders, Lebenskünstlers und Anarchisten, der sich inzwischen auf eine Insel zwischen Sonne und Meer zurückgezogen hat, stammt jedoch weit mehr, wie z.B. mehrere feinsinnige bis feinspinnige Romane und Theaterstücke: Sein Roman »Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm« gewann drei Literaturpreise und Janosch selbst wurde 1992 für sein Romanwerk mit dem Andreas-Gryphius-Preis ausgezeichnet.
In seinen Büchern und Werken zeigt sich immer wieder der Grenzgänger, der Narr, der Träumer, für den es jeden Tag eine andere Wahrheit gibt. Selbst Janoschs eigener Biografie kann man nie so ganz trauen, zu verlockend ist für ihn das Spiel mit Wahrheit und Fantasie, was auch in seinem Buch »Schimanzki« deutlich zum Vorschein kommt.
Anhand der kleinen Maus Schimanzki zeichnet er das Bild eines Menschen am Rande der Gesellschaft, ein Habenichts, obdachlos, herumstreunend. Zurückgezogen lebt er in der Welt der »großen Menschen«, einer wilden Welt aus Verbrechen und Zügellosigkeit, in der er kaum wahrgenommen wird, übersehen, überrannt, liegengelassen. Es ist eine Hommage an den Lebensmut einfacher Leute. Er zeichnet sie als »Verzweiflungsclowns«, als »merkwürdige Komiker« und dennoch als Helden: Denn Schimanzki ist mit einer enormen übermenschlichen und -mäuslichen Kraft ausgestattet, von der er im Verlauf seiner Abenteuer mehr und mehr erfährt.
Schimanzki stellt damit die Figur des klassischen »Drifters« dar: Zunächst richtungs- und positionslos zwingt ihn die Umwelt immer mehr ins Handeln, er findet kurzfristige Haltepunkte in ehrlichen zwischenmenschlichen (und -mäuslichen) Beziehungen, doch seine alten Stiefel tragen ihn immer weiter in die Welt, die immer größer, unüberschaubarer und gefährlicher wird – und ihn am Ende beinahe das Leben kostet.
Auf dieser Ebene wird aus Janoschs Text eine faszinierende und mutmachende Parabel, eine liebevolle Ode an die Randexistenzen, die unseren Blick oft streifen:
»Man sollte die kleinen Kerle neben uns immer genau betrachten. Denn wissen wir, was von ihnen ausgeht? Wir wissen nichts. Jeder neben uns in der Eisenbahn kann ein Schimanzki sein. Das wollen wir uns merken.«
Janosch selbst befand sich zeit seines Lebens in Gegenwehr gegen eine unzumutbare, ungerechte, unüberschaubere und gewalttätige Umwelt. Während seiner Kindheit in Polen wurde er zur Zeit des Nationalsozialismus Zeuge von mehreren Gewalttaten, eine streng katholische (und teils gewalttätige) Erziehung versetzte ihn in jungen Jahren in große Angst und Verunsicherung, er fiel an der Münchener Kunstakademie mehrmals durch und musste sich später, wegen starken Alkoholkonsum, einer gefährlichen Leberoperation unterziehen, die ihm das Leben rettete. All dem stellte er seine Kunst entgegen, in der er den Widrigkeiten der »erwachsenen Welt« durch wilde und mutige Fantasie entkam und sie dadurch gleichzeitig auf humorvolle und gerne derbe Weise bloß zu stellen vermochte. Er selbst entzog sich auch real der lauten, westlichen Welt und setzte sich auf eine Insel ab, im Gepäck nur das nötigste – und vor allem viel augenzwinkernder Humor, künstlerische Freiheit und Cuba Libre.
Mit »Schimanzki« wollen wir mit einer ähnlichen Frechheit und Freiheit den Widrigkeiten unserer Welt ein freundschaftliches Lächeln entgegensetzen und den Mut auffrischen, die Kraft der inneren Maus in sich selbst zu entdecken.
»Alles ist Mist. Aber dann möchte man sich manchmal auf die Erde setzen und sich vor Freude ins Hemd weinen.«
- Janosch
14:54 Uhr