Vom Ideenklau unter Künstlern
In der Inszenierung von „Die Macht des Schicksals“ an der Staatsoper Hannover gibt es eine Demonstrationsszene mit Schildern, auf denen allerdings keine politischen Belange stehen, sondern Wörter wie „Sinn“ oder „Was soll's“. Hä?- dachten sich zwei Zuschauer in der öffentlichen Generalprobe, die unsere Arbeit im THEATER an der GLOCKSEE schon seit Jahren verfolgen- das ist doch genauso wie Eure Aktion der „Demo der Verwirrten“ am Steintor 2015! Haben die das bei Euch geklaut??
Wenn irgendwo zwei ähnliche künstlerische Umsetzungen einer Thematik zu sehen sind, kann das natürlich sein- dann sehen wir das mal als Kompliment für eine gute Idee. Oder die Idee entsteht, weil das Thema in der Luft liegt, mehrmals. Der eine greift es früher, der andere später.
Wenn wir unsere „Demo der Verwirrten“ als Kunstaktion im öffentlichen Raum im Mai 2015 zelebrieren, mit dem Hintergedanken auf die Absurdität der aus dem Boden schießenden Demos mit pseudopolitisiertem Unsinn aufmerksam zu machen, scheint das heute immerhin noch so aktuell zu sein, dass es in einer großen Operninszenierung auftaucht.
Die spannende Frage ist aber – warum empört man sich so über den Ideenklau? Ist nicht viel wichtiger, ob die Idee und der Inhalt gut ist und ob es uns alle, Künstler und Publikum, weiterbringt auf unserem Weg Richtung Zukunft? Denn hierfür können und dürfen wir auf keine einzige gute Idee und deren Verbreitung verzichten! Wer da auf seiner Idee hockt wie Dagobert auf dem Gold beschützt nur sein Künstlerego und hat Angst, verkannt, nicht gewürdigt und vergessen zu werden: „Hilfe, jetzt erntet ein anderer meine höchstverdienten Lorbeeren!“ Erstmal verständlich, macht aber leider alt und bitter, diese Erfahrung hat jeder Künstler mal gemacht. Nichts ist schlimmer als unerkannt in der Versenkung zu verschwinden. Aber man vergeudet die Zeit mit Ärger, die man so toll für neue , frische, nie gedacht und großartige Ideen nutzen könnte!
Letztendlich schöpfen wir alle aus einem Pool und bauen unsere Kreativität immer aufeinander auf und wachsen so immer weiter, alle gemeinsam, jeder ein Rädchen, das ins andere greift.
Doch das hört das Künstlerego nicht gern, da es in seiner Natur liegt, einzigartig sein zu wollen.
Dabei täte es uns so gut, uns da mal zu entspannen.Denn das allermeiste was wir fabrizieren an Theaterformen, Bildern und Aktionen war ohnehin schonmal da in der ein oder anderen Form. Wir verpassen ihm ein neues Gewand, sagen es rückwärts auf und setzen es in anderen zeitgemäßen Kontext und schwups! haben wir ein vermeintlich innovatives Stück Kunst geschaffen. Wahre Innovation ist so selten wie das Wort abgenutzt ist und außerdem sehr schwer zu greifen- denn eigentlich ist sie nur im Kontext zu betrachten und relevant: Was für die eine (Publikums-)Gruppe revolutionär ist, ist für die andere ein alter Hut. Was für die einen eine nie dagewesene künstlerische Umsetzungsform einer Thematik ist, ist für andere ihr täglich Brot in ganz anderen Lebensbereichen.
Doch zurück zum Thema: Vielleicht sollte man sich generell eher als Ideenverschenker als als Ideenbesitzer ( dem etwas geklaut werden kann) betrachten - im Sinne der neuen Vernetzung der Welt? Wie viel weiter wären wir schon, wenn alle guten Ideen publik gemacht und kopiert werden würden? Vermutlich hätten wir längst den Mars erobert, das Klima gerettet, Impfstoffrezepturen rausgerückt, den Hunger besiegt, Frieden gemacht und mit unserem Elektro-OldschoolVWBus auf dem Weg in ein Morgen ohne Sorgen! Halleluja!
Hm. Und wenn ich aber von meiner Idee leben muß? Wenn ich Geld bekomme für meine neue, innovative Idee? Wenn ich das Geld und die Anerkennung brauche, um größer zu werden und zu wachsen, meine Familie zu ernähren? Was dann? Hat uns da die alte Kapitalismushexe wieder am Schlafittchen oder was ist da los? Puh, ich kann nicht mehr denken, jetzt seid Ihr dran:)
18:10 Uhr