Der Bau
oder die Gründung des Fight Club Dachs
Theaterprojekt im Untergrund Deutschlands 2017.
Nach einer Erzählung von Franz Kafka.
Die Erzählung »Der Bau« von Franz Kafka handelt von einem dachsartigen Wesen, welches sich unter der Erde ein Zuhause geschaffen hat, das ihm das Liebste und Heiligste ist. Beinahe zärtlich gräbt, hegt und pflegt es seinen Höhlenbau bis zum letzten Sandkorn. Doch eines Tages hört es ein Zischen und ein Kratzen: Eindringlinge! Seine Gedanken kreisen nur noch um eine Sache: Der Bau muss um jeden Preis beschützt werden!
Im Theaterprojekt »Der Bau oder die Gründung des Fight Club Dachs« bewohnen die Schauspieler gemeinsam mit dem Publikum den Bau - zusammengeschweißt gegen einen unsichtbaren Feind von außen werden sie eine kämpferische Einheit: Der Fight Club Dachs. Doch wer ist dieser Feind? Oder gibt es ihn überhaupt wirklich?
Basierend auf Kafkas Erzählung und eigenem Recherchematerial gräbt sich das Team des THEATERs an der GLOCKSEE unter der Regie von Milena Fischer in einem energetischen Theaterabend mit vollem Körpereinsatz durch unterirdisches Gedankengut in unserer nächsten Umgebung und kratzt an deutschen Wurzeln.
Termine
2017
Ensemble Yves Dudziak, Lena Kußmann, Jonas Vietzke.
Regie Milena Fischer.
Choreografie & Video Henrik Kaalund.
Kostüm Hanna Peter.
Bühne Britta Bremer.
Presse
»Regisseurin Milena Fischer hat sich des Stoffes angenommen, hat ihn behutsam mit dumpfdeutschen Verhältnissen abgeglichen und schafft nun mit „Der Bau oder Die Gründung des Fight-Club Dachs“ eine Metapher der Abschottung – der Dachs ist nicht allein. Man sitzt mit ihm im Bau, sieht, wie nur er Geräusche hört, sieht seine steigende Paranoia vor dem Fremden, das zu ihm dringen könnte. (...) Vor dem Publikum, in den Reihen, davor, dahinter, darüber spielen sie; diese Dachse sind immerzu auf Achse. Die Beklemmung wächst. „Kein schöner Land in dieser Zeit als hier das unsre weit und breit“, singen sie, singt auch das Publikum mit ihnen, bis es schal wird auf der Zunge. Heimat kann nicht nur Geborgenheit sein, sondern auch Waffe. Eine Kampfsportgruppe wird gegründet, man weiß ja nie. (...) Sie zitieren Merkel, Trump und die identitäre Bewegung – fast unnötig, Kafkas Worte, die Bilder hier sind auch so stark genug. Mit jedem Schlag, mit jeder Runde, mit jedem Gong wird die selbstgemachte Angst größer. Und immer mehr wird die Kampfzone ausgeweitet, bis zum bitteren Ende. Da ist sie dann wieder, die Stille – Grabesstille. Gefolgt von hochverdientem Applaus.« » mehr lesen
- Neue Presse, Stefan Gohlisch, 11.08.2017
»Man kann unumwunden und voller Respekt den Hut ziehen wie das Ensemble vom Theater an der Glocksee den Mut aufbrachte so ein Thema zu bearbeiten. Denn im Theater, in der Dramaturgie, braucht es einen Schurken (oder Protagonisten) der sich im Laufe des Stücks wandelt. Doch hier ist der Protagonist einfach nicht zu greifen. Es gibt kein klares Bild, vielleicht mehr ein System, oder ein inneres unreflektiertes Gefühl, eine auf schlecht informierter Basis gebildete Meinung, eben etwas Diffuses. (...) Man wird in einer Mischung aus Spannung, eruptiven Wechseln, und stillen, einkehrenden Momenten in das Geschehen hineingezogen. (...) Eine gelungene Einladung die eigene Distanziertheit abzulegen um Teil eines größeren Ganzen zu werden. Und das ist auch die Empfehlung die hier ausgesprochen werden darf: Verpassen sie nicht die Begegnung mit diesem Stück und der daraus sicher folgenden Diskussion über die Verantwortung die jeder von uns trägt.« » mehr lesen
- Blog Eigene Werte, Friedo Stucke, 08.08.2017
»Was Kafka auf das Biedermeier und das Kleinbürgertum seiner Zeit münzte, aktualisiert „Der Bau oder die Gründung des Fight Club Dachs“ zu einer Erzählung über protektionistische und rechte Ideologien. Nicht nur ein Dachs, sondern drei (Yves Dudziak, Lena Kussmann und Jonas Vietzke) spielen Kafkas Text, der zwischendrin immer wieder unterbrochen wird. (…) Der eigentlich heimelige, wohlige Bau verwandelt sich zusehends in eine Brutstätte unterirdischer Paranoia, der Mulch wird immer muffiger von sich langsam einschleichendem Wir-gegen-die-Distinktionsgerede. (...) Es ist dabei erstaunlich, wie wenig es braucht, um Kafkas Text – der ein unentwirrbares Netz aus Fabel, Bewusstseinsstrom und Neurosen des Autors ist – in diese Richtung zu lesen. Nur an wenigen Stellen fügt das Ensemble ihm etwas hinzu und wetzt ansonsten spielfreudig und vor allem mit großem Körpereinsatz über den Mulch auf dem Boden, spielt das Publikum, das auf Podesten verteilt um den zentralen Platz des Baus sitzt, immer wieder an.
Die Inszenierung endet mit der Selbstzerfleischung der Dachse – und langem Applaus nach betretenem Schweigen.«
- Hannoversche Allgemeine Zeitung, Jan Fischer, 07.08.2017
Kommentare
Ein ungemein spannendes Projekt, mit dem die Aktualität eines "sperrigen" Autors ebenso gewürdigt wird, dies verknüpft mit für unser Zusammenleben und gesellschaftlich wichtige Fragen! - Respekt auch für den Ansatz, in der Stückentwicklung auf die Akteure und deren Improvisationsfähigkeit, so das situative Moment in der Interaktion mit dem Publikum zu bauen, sondern auch zu öffentlichen Proben einzuladen, um Impulse für die eigene Arbeit aufzunehmen und besonders dicht an den Zuschauern zu sein!
- Elke Helma Rothämel