Raskolnikow – humanity is overrated

Theaterprojekt nach »Schuld und Sühne« von Fjodor Dostojewski und »Helden« von Franco Berardi.

»Ein Funke fiel auf Raskolnikows Brust. Sollte dieser schwarze Teer, der seine Seele schon so lange in Besitz nahm, doch nicht die ganze Wahrheit sein?«

Willkommen, bienvenue, welcome - in der Fieberwelt Raskolnikows, des Protagonisten aus Dostojewskis »Schuld und Sühne«.
Ein junger Student zieht sich von der Außenwelt zurück und spinnt eine Ideologie zusammen: Er trennt zwischen »gewöhnlichen« und »außergewöhnlichen« Menschen – sein Manifest mit Todesfolge spiegelt sich auch in Formulierungen realer Attentäter wider. Auf der Suche nach dem Ursprung solcher Gedankenwelten wagen wir uns in die Geisterbahn seines Kopfes und suchen in ihm, in uns und unserer Welt nach einer Fährte. Das Theaterprojekt auf der Grundlage des Romans von Dostojewski (1866) und Franco Berardis Recherche »Helden« (2016) verdichtet Kneipengeschwätz, Talkshows, Fieberträume und verpasste Chancen zu einem surrealen Wahn - in dem die Hoffnung immer nur eine Haaresbreite entfernt ist.

»Denn das muss sein, jeder Mensch muss irgendwohin gehen können. Weil es Zeiten gibt, da muss man unbedingt irgendwohin gehen können, ganz gleich, wohin!« - Marmeladow aus »Schuld und Sühne«

Termine

2017


Ensemble Achmed Ole Bielfeldt, Rebecca Junghans, Jonas Vietzke.
Künstlerische Leitung Lena Kußmann.
Bühne Britta Bremer.
Kostüm Juliane Kalkowski.
Regieassistenz Almut Kranz.
Licht Timo Staaks, Magnus Unverricht.

 

Gefördert durch
Presse

»Im Stück „Raskolnikow – humanity is overrated“, das Lena Kußmann mit ihrem Ensemble im Theater an der Glocksee entwickelte, lebt Rodja in einer zeit- und ortlosen Zwischenwelt, in die er alles saugt, das seiner Idee der Überlegenheit dient. Kußmann lässt Raskolnikows Mordmotive auf die von heutigen Überzeugungstätern prallen. Immer mehr gelingt es im Verlauf der Inszenierung, die Gedankenwelten von Attentätern der vergangenen 15 Jahre in jene der Hauptfigur Rodja zu schieben – eine klare Unterscheidung wird unmöglich.
Die Gemeinsamkeiten überzeugen: Die taumelnde Suche nach Halt in einer entfremdeten Gesellschaft oder das Hadern mit größenwahnsinnigen Erlöserfantasien. Jonas Vietzke lässt das beständige Kippen seines Rodja zwischen Wut, Verzweiflung und Ausweglosigkeit beeindruckend greifbar werden. Auch Achmed Ole Bielfeldt und Rebecca Junghans spielen eindringlich und suggestiv – als Rodjas Bezugspersonen Rasumichin und Sonja erlauben sie Perspektiven auf den Täter vor und nach dessen Morden. Einfache Erklärungen bietet Lena Kußmann aber ebensowenig an wie Dostojewski.
Vielmehr werden Details einer Radikalisierung verdeutlicht. Vor allem die sinnlich prägnanten Umsetzungen bleiben haften. Die Bühne dominiert ein Kokon als Metapher für brütenden Rückzug. Requisiten und Kostüme schweben surreal zwischen Zirkus, Expressionismus und Sadomasochismus... «
- Hannoversche Allgemeine Zeitung, Thomas Kaestle, 25.04.2017

»Wenn man geschickt die Prosa um den 600 Seiten schweren Roman Schuld und Sühne von Fjodor M. Dostojewski wegschneidet, kommt man zu einer eindringlichen dramaturgischen Fassung. Versteht man es dann noch die Handlung mit der heutigen Zeit zu verknüpfen, dann ist man bei „Raskolnikow - humanity is overrated“, derzeit im Theater an der Glocksee, angelangt. (...) Dieser Raskolnikow (Jonas Vietzke) ist still, arm, ohne Idee für eine sinnvolle Beschäftigung in der Welt in der er sich wähnt. Er beschließt einen Mord zu begehen, um etwas aus der Welt zu nehmen, das es nicht verdient in ihr zu sein. Und da ist auch die große Frage: Wer entscheidet was gut und wert ist - und was nicht. (...) Vergleiche mit Pamphleten anderer Attentäter werden zitiert. Situationen in denen sich jeder wieder finden könnte, zeigen das Potential wie eng wir jederzeit betroffen sein könnten. Ist eine Einteilung in gewöhnliche und außergewöhnliche Menschen, wie Raskolikow sie vornimmt, sinnvoll oder gerechtfertigt? (...) Das ist starker Tobak den man jedoch mit einer Prise schwarzen Humor, der hier von Lena Kußmann mit feiner Hand ins Stück geschrieben wurde, gut nehmen kann. Durch die Fülle von einzelnen Situationen, Metaphern und eindringlichen Bildern am erzählerischen Faden, der der Chronologie des Romans treu bleibt, spielt das weitere Ensemble mit Achmed Ole Bielfeldt und Rebecca Junghans dicht und dynamisch zu einem harmonischen Ganzen, dass man die 100 Minuten ohne Pause gespannt durchlebt. Es ist eine Freude die ökonomische und reich mit kleine Details gespickten Inszenierung zu verfolgen. Das ist junges lebendiges Theater für intelligente Menschen, die aus dem kleinen das größere Ganze erfassen und selber ins Denken kommen um ihre eigenen Schlüsse zu finden. Mein Tipp: keine Scheu vor ernstem Thema - hingehen.« ...mehr lesen
eigenewerte.blogspot.de, Friedo Stucke, 16.05.2017

Interviews + Links

→ Die Motive von Attentätern
Interview mit Regisseurin Lena Kußmann auf haz.de

→ Was uns retten könnte
Vorankündigung der Spielzeit-Beilage der HAZ

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Trailer

Fotos: Jonas Wömpner